Der Knappe unter den Kreuzrittern

Details
Erstellt am Samstag, 18. November 2017 15:03

Tom Friedrich ist mit seinen 19 Jahren der jüngste Spieler beim SV Hermsdorf

Von Marcus Schulze

Hermsdorf. Oftmals ist er der Auserwählte. Was im ersten Moment nach purer Exklusivität klingt, entpuppt sich im Fall von Tom Friedrich eher als ein kleines Mehr an Aufgaben, schließlich ist er der jüngste Protagonist in den Reihen des SV Hermsdorf. Und so gebührt dem 19-Jährigen beispielsweise die Ehre des Toraufbaues und auch Abbaues. Oder er darf die großen Puppen, die Dummies, aus dem Foyer der Werner-Seelebinder-Halle in die eigentliche Halle schleppen, wenn es denn für das Training vonnöten ist. Tja, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Dieser zeitlose Phrasenklassiker, mit dem bereits Oma Demut vom Enkel einforderte, hat natürlich auch in der Welt des Handballs seine Gültigkeit. "Es hält sich aber alles in Grenzen", sagt Tom Friedrich und muss lachen.

Dass er überhaupt in seinem zarten Alter bereits oben mitmischen darf, dafür ist in erster Linie Pierre Liebelt verantwortlich, der Tom Friedrich von der 2. Mannschaft in die 1. delegierte. Doch schon unter Steffen Schreiber, dem Vorgänger des derzeitigen SV-Coaches, durfte er bei den Männern mittrainieren. Wenn man denn so will, ist Tom Friedrich der Knappe unter den Kreuzrittern aus Hermsdorf.
Entsprechend zurückhaltend gibt er sich in verbaler Hinsicht während eines Trainings. Für lässige Ansagen und Sport-Kalauer sind andere, bevorzugt höhere Semester, verantwortlich. Da hält sich Tom Friedrich eher bedeckt, anders stellt sich das Dargebotene indes in sportlicher Hinsicht dar. Auf dem Feld hält er sich nicht zurück, tafelt mitunter so manches Kabinettstück in Sachen Handball auf.
Tom Friedrich redet leise und ruhig. Er wirkt besonnen, strahlt Ruhe aus und plappert nicht einfach drauf los. Das sei sein Naturell, er sein kein Hasardeur. Es sind diese ausgeglichenen Eigenschaften, die ihn womöglich für die Position auf der Mitte im Rückraum prädestinieren, benötige man für diese doch Ruhe und Übersicht, dürfte auf gar keinen Fall hektisch und rein intuitiv handeln. "Du musst stets einen kühlen Kopf bewahren", sagt Tom Friedrich, der auch darauf verweist, dass man nun einmal als Akteur auf der Mitte in erster Linie für seine Mitstreiter spiele, um diese in Szene zu setzen. Was seine Position betrifft, ist er derzeit der zweite Mann auf dieser hinter einem gewissen Martin Ehm, den man getrost als die andere Seite der Rückraum-Medaille bezeichnen kann.
Ein Traum sei für ihn wahr geworden, ist er doch nun ein Bestandteil jener Mannschaft, deren Werdegang er von klein auf verfolgt habe. Zusammen mit Spielern wie Stefan Riedel oder Jan Heilwagen zu trainieren und in der Liga Woche für Woche um Punkte zu kämpfen, sei schlichtweg eine riesige Sache. Zumal sich Tom Friedrich noch lebhaft daran erinnern kann, wie er denn als Handball-Knirps da einst bei den Heimspielen auf der Tribüne saß und mitfieberte und eben einen Jan Heilwagen oder einen Stefan Riedel, aber auch einen Marvin Schreck, einen Hannes Rudolph oder einen Matthias Krüger anfeuerte. Sehr viel könne er von diesen lernen. Das sportliche Umfeld könne ihn über kurz oder lang nur weiterbringen. "Wir sind eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern", urteilt Tom Friedrich.
Sein Debüt gab Tom Friedrich im Dezember 2016 gegen Pirna, als dem SV Hermsdorf nach einer erschreckenden Serie an Niederlagen unter dem neuen Trainer Pierre Liebelt der langersehnte erste Sieg gelang. Zwar erlebte der Rückraumspieler diese Partie nur als vermeintlicher Bankdrücker, war aber dennoch ganz nah dran am Geschehen in der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf. Einsatzzeit hin, Einsatzzeit her. "Es war dennoch ein schöner Einstand für mich", sagt Tom Friedrich rückblickend. Und auch an sein erstes Tor kann er sich noch erinnern, erzielte er dieses doch beim Auswärtstermin in Köthen. Zwar unterlag dort der SV Hermsdorf, doch für ihn persönlich sei das natürlich ein erhabener Moment gewesen. Und einen Kasten Bier musste er für seinen ersten Treffer auch noch springen lassen. Allein jene Partie, bei der aktiv in das Geschehen eingreifen durfte, will ihm ad hoc nicht einfallen. Erst einen Tag später kann Tom Friedrich am Telefon die Frage beantworten: Es war am 18. Februar zu Hause gegen Glauchau.
Niederlagen haben Team zusammengeschweißt
Lässt er indes die vergangenen acht Spieltage in der Thüringenliga Revue passieren, kommt er zu dem Schluss, dass sich das Team von Spiel zu Spiel immer mehr gefunden hätte. Dass man auch zwei Niederlagen - Werratal, Mühlhausen - in Kauf habe nehmen müssen, sei vielleicht, mit Blick auf die Endabrechnung in der Thüringenliga, gar nicht so tragisch. "Die haben uns noch mehr zusammengeschweißt. Außerdem hängt man sich nach einer Niederlage noch mehr beim Training rein. Wir müssen halt dranbleiben, weiter arbeiten und uns kontinuierlich verbessern. Wir sind auf einem guten Weg", resümiert Tom Friedrich, der auch vom baldigen Aufstieg in die Mitteldeutsche Oberliga spricht. Wenn nicht in diesem Jahr, dann auf jeden Fall im nächsten.
An dem Spieltag vor besagten Niederlagen hatte der gebürtige Hermsdorfer sein bis dato schönstes Erlebnis mit dem SV Hermsdorf, schließlich war er mit von der Partie, als die Kreuzritter im Hexenkessel des HSV Ronneburg triumphierten. "Definitiv", sagt er und betont dann, dass er sich eben noch daran erinnern könne, wie er denn als Kind bei jenem Derby - und auch bei anderen - vor Ort war. "Und heute spielst du da selber mit. Das war natürlich etwas ganz Besonderes für mich und auch eine ausgesprochene Erfahrung."
Dass er bei den heißen Partien von einst stets als kleiner Zaungast das mitunter dramatische Sportgeschehen verfolgte, kam nicht von ungefähr. Denn auch Tom Friedrich ist in puncto Handball - wie auch der eine oder andere seiner Teamkollegen - familiär vorbelastet. Und wie, ist doch sein Vater ein gewisser Jens Friedrich, der als Spieler und später dann auch als Trainer beim SV Hermsdorf wirkte. Diesbezüglich sei sein sportlicher Weg - zumindest ein bisschen - vorgezeichnet gewesen, durchlief er doch alle Stationen beim den Handballern aus dem Holzland: Minis, Jugendteams, 2. Männer und schließlich 1. Mannschaft.
Zwischen Landratsamt und "Hölle Ost"
Derzeit absolviert der gebürtige Hermsdorfer eins duales Studium für den gehobenen Dienst in der Kommunalverwaltung, wechselt aller sechs Monate zwischen der Thüringer Verwaltungsfachhochschule in Gotha und dem Landratsamt in Eisenberg, wo er während seiner Ausbildung alle Stationen des Verwaltungsapparates durchläuft. Wenn er denn besagte Lehrjahre erfolgreich absolviert hat, darf er sich Diplom-Verwaltungswirt nennen. Und in gewisser Weise kann er Eigenschaften wie Ruhe und Übersicht, die er Rückraum auf der Mitte benötig, auch zweifelsohne für seine perspektivischen Aufgaben in der Verwaltung gebrauchen.
Da er nun einmal aus Hermsdorf stammt, ziert er in dieser Saison gemeinsam mit Stefan Riedel, Jan Heilwagen und Felix Reis stets die Titelseite des Heftes, das bei jedem Heimspiel am Einlass ausliegt. Er ist eine der Identifikationsfiguren in Sachen Handball-Lokalkolorit. Für Tom Friedrich, der quasi zwischen dem Schloss in Eisenberg und der berühmt-berüchtigten "Hölle Ost" tanzt, eine große Ehre. "Jetzt strahle ich vielleicht für Spieler aus dem Nachwuchs das aus, was andere Spieler einst für mich ausgestrahlt haben. Darauf bin ich schon ein wenig stolz."
SV Hermsdorf vs. Sonneberger SV, Sonnabend, 19.30 Uhr, Werner-Seelenbinder-Halle

Und das sagt der "Ehminator" über Tom Friedrich

Martin Ehm
Martin Ehm und Tom Friedrich spielen auf der gleichen Position: im Rückraum auf der Mitte. Von daher liegt es nur auf der Hand, dass sich der "Ehminator" zu den handballerischen Fähigkeiten seines Mitstreiters äußerst: "Tom geht in die Lücke hinein. Außerdem beherrscht er das Eins-gegen-Eins-Spiel, gleich ob zur Hand oder gegen die Hand. Darüber hinaus ist er schnell", urteilt Martin Ehm, der jedoch auch noch ein paar Baustellen bei Tom Friedrich ausmachen konnte. So müsse sich der Knappe in den Reihen der Kreuzritter in der einen oder anderen Situation hinsichtlich der Entscheidungsfindung - Pass, Anspiel oder Torwurf - noch verbessern. "Aber er ist ja noch jung. In den nächsten Jahren kann er seine Erfahrungen machen und dann wird sich das alles schon einspielen bei ihm", sagt Martin Ehm, der natürlich auch etwas zum Schmunzeln - gerade mit Blick auf die eigene Person - auf Tasche hat: "Tom ist jedenfalls doppelt so schnell wie ich, bringt aber auch nur halb so viel auf die Waage."

(Quelle: OTZ/Marcus Schulze/17.11.2017)