Epische Schlacht

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Erstellt am Mittwoch, 23. Januar 2019 12:57

Über zwei Stunden kämpfen der SV Hermsdorf und der HSV Bad Blankenburg am Sonntag um den Einzug in das Pokal-Halbfinale

Hermsdorf. Als alles vorbei war, saß Jan Minas auf einer Bank. Neben ihm auf dem Hallenboden saß Julius Rein, der Torwart des HSV Bad Blankenburg, der den Siebenmeter von eben Jan Minas gehalten hatte. Die beiden Handballer kennen sich, haben eine gemeinsame Vergangenheit beim ThSV Eisenach. In gewisser Weise war es ein versöhnliches Bild der beiden zentralen Figuren in der Alles-oder-nichts-Runde des Siebenmeter-Werfens. Letztlich siegte der Gast mit 44:43.

 

Während sich Julius Rein – nachdem der letzte HSV-Protagonist erfolgreich verwandelte hatte – feiern ließ, stand wohl für Jan Minas für einen kurzen Augenblick die Welt still, mutierte er zur vielleicht einsamsten Person in dem Sportareal in Hermsdorf. Unmittelbar nach seinem vergebenen Wurf blickte er mit einer kathartisch anmutenden Miene – durch und durch leidend – gen Hallenboden.

„Zuerst wollte ich mich auf die Linie stellen, weil ich weiß, dass Jan (Minas, Anmerkung der Redaktion) nicht den kräftigsten Wurf hat. Doch dann habe ich mir gedacht, dass ich doch etwas weiter nach vorne gehe. Einen Heber traut sich ja dann doch keiner in so einer Phase“, sagte der HSV-Schlussmann nach der Partie, der zudem von einer ausgeglichenen, aber äußerst kräftezehrenden Begegnung sprach, die eigentlich keinen Sieger verdient hätte.

Hinter Jan Minas und Julius Rein sowie all den anderen lag eine gut zweistündige Handball-Schlacht, die nicht nur den Protagonisten da auf dem Feld alles abverlangte, sondern auch den Zuschauern. Dass nun ausgerechnet Jan Minas scheitern sollte, besaß eine gewisse Tragik, war es doch sein erfolgreicher Distanzwurf gen Ende der regulären Spielzeit zum 27:27, der die Kreuzritter in der Partie hielt. Dieser Wurf, zum einen, und auch die katzenartigen Reflexe eines Robert Zehmisch – zum anderen – während der noch ausstehenden fünf Sekunden. Denn Robert Zehmisch machte sich ganz lang. Aus vollem Lauf hob der Schlussmann des SV Hermsdorf kurz vor seinem Gehäuse ab, um noch irgendwie an den Ball zu kommen, der auf dem besten Weg ins Tor war. Mit den Fingerspitzen – dabei parallel zum Hallenboden in der Luft liegend – lenkte er das kleine Leder noch über die Latte. Wäre der Ball, der aus den Untiefen der gegnerischen Hälfte abgesendet wurde, eingeschlagen, hätte der HSV Bad Blankenburg wohl gewonnen, schließlich war es die letzte Aktion. So blieb es aber beim Spielstand von 27:27 (14:15).

Spielstand wog hin und her

Aufatmen bei der Anhängerschaft des SV Hermsdorf, doch das war nur eine flüchtige Momentaufnahme, denn jetzt standen im Pokal-Viertelfinale am Sonntag zwischen dem SV Hermsdorf und dem HSV Bad Blankenburg in der Werner-Seelenbinder-Halle alle Zeichen auf Verlängerung. Bereits während der Schlussphase des zweiten Aktes hatten sich alle Zuschauer erhoben. Und jetzt, wo das Zusatzprogramm anfing, sollte sich auch niemand mehr hinsetzen. Spürbare Anspannung lag da in der Luft – und es sollte fürs Erste auch keine Erlösung geben. Und zwar für beide Fan-Lager. Eine Entscheidung über Sieg oder Niederlage wollte partout nicht fallen. Keines der beiden Teams konnte sich in den folgenden 20 Minuten zwingend absetzen, einer hauchdünnen Führung folgte umgehend die Egalisierung. Der Spielstand wog in schöner Konsequenz hin und her, gleich einem Schilfrohr im Wind. Während der ersten Verlängerung (Endstand:33:33) stand der Gastgeber stets unter Egalisierungszwang, während der folgenden zehn Minuten war es der HSV, der stets einem Rückstand – wenn auch nur von einem Tor – hinterherrannte. 24 Sekunden vor dem Ende der zweiten Verlängerung konnte das Team von Trainer Igor Ardan zum 36:36 ausgleichen. Zuvor hatte Jan Minas zum 36:35 getroffen. Ergo: Siebenmeter-Werfen. Und da sah es danach aus, dass das Team von Pierre Liebelt womöglich den Einzug in das Halbfinale schaffen könnte. Hannes Rudolph gewohnt funky, geradezu eiskalt indes Maximilian Remde. Auch Jan Minas verwandelte. Als schließlich Robert Zehmisch mit dem rechten Fuß den Wurf von Max-Florian Köthe vereiteln konnte, war die Chance zum Greifen nah. Marvin Schreck untermauerte diese mit seinem Treffer zum temporären 40:39. Es lag nun an Felix Reis, doch er scheiterte – es blieb beim 40:40. Also Sudden Death, mit dem besser Ende für den HSV.

„Ich bin stolz auf meine Mannschaft, na klar. Felix (Reis) und auch Jan (Minas) waren die Woche über krank, keiner wusste, ob sie überhaupt spielen können – und dann machen sie beide so ein überragendes Spiel“, resümierte Pierre Liebelt, der dennoch enttäuscht wirkte. Sein Team habe dem HSV Paroli geboten, sei von der Spielanlage sogar besser gewesen, führte der Trainer weiter aus, der jedoch auf die individuelle Klasse des Gegners verwies.

Steffen Reis, seines Zeichens Geschäftsführer, blickte nach der Partie recht zufrieden aus der Wäsche. „Alle, die heute hier waren, haben das volle Programm bekommen.“

SV Hermsdorf: Meißner, Rudolph 9, Stuhlert, Schreck 4, Reis 6, Schreiber 3 Riedel, Hammer 2, Heilwagen 2, Zehmisch, Anlauf 2, Möller, Remde 5, Minas 8

(Quelle: OTZ / Marcus Schulze / 22.01.19)