Zwergenaufstand
- Details
- Erstellt am Dienstag, 16. Februar 2010 07:01
- Zugriffe: 3070
SV Hermsdorf II - HSC Erfurt 30:25 (13:11)
Hermsdorf. Über diese 60 Minuten vom Sonntag wird man in Handball-Hermsdorf noch lange sprechen.
Landesligist SV Hermsdorf II warf den favorisierten Oberligisten HSC Erfurt aus dem Pokal. Das 30:25 war kein Zufallsprodukt oder glücklicher Sieg. Erfurts Trainer Gerd Stefanowsky fand nach dem Abpfiff nur lobende Worte über die Hermsdorfer. "Die waren bissig, die waren engagiert. So spielt man, wenn man ins Final Four will. Glückwunsch!"
Viel besser kann man die 60 Minuten nicht auf den Punkt bringen. Was anfänglich noch nach einer guten Leistung aussah, entwickelte sich im zweiten Durchgang zu einem packenden Duell. "Wir waren heute die bessere Mannschaft. Das war ein Quantensprung." Diese Worte verwendete der sonst so wortkarge, weil bescheidene Trainer der Hermsdorfer Bernd Mühlberg. Er ließ sich seine Freude nicht sofort anmerken.
"Ich bin stolz auf die Jungs. Ich muss aber nicht wie ein Zampano vor der Bank auf und ab laufen und herumspringen. Diesen Sieg haben sich zuerst die Jungs verdient, die sollen diesen Moment genießen und möglichst noch lange wirken lassen."
Mühlbergs Abend endete nicht etwa feucht-fröhlich. Um 22 Uhr stand er zur Nachtschicht bei seinem Arbeitgeber in Hermsdorf an der CNC-Maschine.
Um 17.34 Uhr war die Überraschung perfekt. Hermsdorf II begleitet die erste Mannschaft des Vereins ins 2. Final Four. Im November wurde darüber noch im Spaß gesprochen. Trainer Mühlberg und auch Betreuer Rainer Lüder brachten nach jedem Sieg und nach jedem Weiterkommen immer das Wort vom Final Four über ihre Lippen. Seit Sonntag ist es Gewissheit.
Vor dem Spiel sprach eigentlich nichts für Hermsdorf II. Erfurt reiste als Spitzenmannschaft der Oberliga an, Erfurt verfügt über den wurfgewaltigsten Rückraum der Oberliga. Und die Erfurter haben auch körperlich gegen fast alle Oberligateams ein Plus.
Diese Punkte störten die Rudolfs, Rudolphs, Wendts & Co. nicht. Sie waren körperlich völlig unterlegen, die Hermsdorfer Jugendbrigade - die Hälfte der Mannschaft könnte noch bei den A-Junioren spielen - probte mutig den Zwergenaufstand und sie bestand ihn mit spielerischer und kämpferischer Klasse.
An diesem Nachmittag passte alles. Torwart Felix Hentschel ließ gegen den hochgelobten Rückraum nur elf Tore zu. Wie vorher abgesprochen kehrte mit Beginn der zweiten Halbzeit das Torwart-Denkmal Carsten Oswald zwischen die Pfosten. Und Ossi machte das, wofür er 18 Jahre lang in Handball-Hermsdorf geliebt und verehrt wurde - er parierte die Würfe. Beim 18:13 (38.) waren es zum ersten Mal fünf Tore. Das kleine Handball-Wunder nahm seinen Lauf. Erfurt kam nur bis auf drei Tore heran, das letzte Mal beim 20:23 (47.).
Die kleinen, quirligen Hermsdorfer suchten die Lücke und sie fanden die Lücke. Zeigten die guten Schiris mal passives Spiel an, vollendete Michael Remme zum 26:21 (51.). Die restlichen Minuten des Spiels waren nur noch Freude. Clever, routiniert und fast schon abgezockt, im Stile einer Oberliga-Spitzenmannschaft, spielte der Außenseiter die Uhr runter. Am 1. Mai steht das Final Four an. Wer die Jungs am Sonntag erlebt hat, muss mit allem rechnen.
SVH II: Oswald, Hentschel - Wendt (7), Bauer, Remme (5), P. Rudolf (3), Weise, Baum (2), Lüder, Teichmüller, H. Rudolph (7), Krüger (6).
(Quelle:OTZ)